über uns

Holarchische Organisation

DIE PRAXISGEMEINSCHAFT MEESENRING ALS EINE HOLARCHISCHE ORGANISATION

 

Die PraxisGemeinschaft Meesenring, Lübeck, versteht sich als lernende Organisation. Sie entwickelt ihre therapeutischen Konzepte, die Arbeitsphilosophie und das zugrundeliegende Menschenbild in einem kontinuierlichen Prozess weiter.

 

Heiner Max Alberti und Bettina Alberti waren 1988 Mitbegründer der psychologischen PraxisGemeinschaft Meesenring, Lübeck. 1994 entwickelte Heiner Max Alberti ein Konzept für die Struktur der Praxis und leitete diese 15 Jahre lang. In drei Jahren (2007-2010) hat das gesamte Praxisteam die Struktur kritisch geprüft und in einem co-kreativen Prozess überarbeitet. Ziel dieses Prozesses war es, zu einem gleichberechtigten Miteinander im Team zu finden. Gleichzeitig sollen der Konzeptentwickler und die GründerInnen wertgeschätzt und gewürdigt werden.

 

Eines der Ergebnisse der Überarbeitung ist es, die unterschiedlichen Beziehungsebenen, die es im Team zwischen den einzelnen Mitgliedern gibt, bewusst wahrzunehmen und nebeneinander zu gestalten. Zu diesen Beziehungsebenen gehören u.a.:

  • die KollegIn-KollegIn-Ebene – jeder Kollege und jede Kollegin hat unterschiedliche Qualifikationen, berufliche Schwerpunkte und Kompetenzen,
  • die LeiterIn-KollegIn-Ebene – eine flache Hierarchie ist für die Steuerung im Gesamtteam wichtig,
  • die Elder-Younger-Ebene – auch die Langjährigkeit der beruflichen Erfahrung spielt in kollegialen Beziehungen eine Rolle.
  • die Mensch-Mensch-Ebene

Ein weiteres Ergebnis ist es, die besonderen Fähigkeiten und Kompetenzen der einzelnen Mitglieder des Praxisteams wahrzunehmen, wertzuschätzen und ihnen Raum zur Entfaltung zu geben. Hierzu gehört auch eine kompetenz- und funktionsbezogene Hierarchie.

 

Auch bei den Aufgabenbereichen wird die holarchische Struktur sichtbar. Jede/r KollegIn hat entsprechend seiner/ihrer speziellen Fähigkeiten und Kompetenzen einen Aufgabenbereich übernommen und leitet diesen eigenverantwortlich. Gleichzeitig nimmt jede/r KollegIn bei der Ausübung dieser Aufgaben und Funktionen eine innere Haltung ein, in der er/sie sich mit der Philosophie der Gesamtorganisation verbunden fühlt. Die Entscheidungen aus dem eigenen Aufgabenbereich trifft jedes Praxismitglied auch im Interesse der PraxisGemeinschaft Meesenring, Lübeck.

 

Bei regelmäßigen gemeinsamen Praxistreffen sitzen die Mitglieder zusammen, stellen ihre Aufgaben vor und führen diese zusammen. Die Resonanz der KollegInnen ist dabei sehr wichtig. Durch den Austausch, das Zuhören, das gemeinsame Betrachten der unterschiedlichen Themenbereiche im Praxisteam (in der PraxisGemeinschaft) entstehen – nach dem integralen Prinzip wie unten von Wilber beschrieben – ganz neue Gedanken und Erkenntnisse. Diese führen wieder zu neuen Aufgaben und Entscheidungen der PraxisGemeinschaft Meesenring.

Solch ein Prozess der Co-Kreation, also gemeinsam etwas zu erschaffen, ist nur in der Gruppe, im Team möglich. Jede/r einzelne KollegIn bekommt auf diese Weise neue Impulse für seinen/ihren Aufgabenbereich und hat dadurch das philosophische und organisatorische Wissen der Gesamtorganisation präsent. Die Aufgabe der Praxisleitung ist vor allem, die unterschiedlichen Aufgabenbereiche zu koordinieren, eine effektive Kooperation zwischen ihnen zu unterstützen und sie zu einer Bewegung der Gesamtorganisation zusammenzuführen.

 

Zuletzt ist nicht minder bedeutsam, die PraxisGemeinschaft Meesenring, Lübeck, mit ihrem weiteren Umfeld zu vernetzen. Heiner Max Alberti war 11 Jahre (2002-2013) Vorstandsmitglied in der "Internationalen Studiengemeinschaft für Prä- und perinatale Psychologie und Medizin" (ISPPM). Bettina Alberti ist im Vorstand vom Forum Psychotherapie Lübeck. Und die PraxisGemeinschaft Meesenring, Lübeck, beteiligt sich an der Gestaltung des direkten räumlichen Umfeldes, des Meesenplatzes in Lübeck.

 

 

DER BEGRIFF DES HOLARCHISCHEN PRINZIPS

 

Der Begriff der Holarchie geht auf den Philosophen Arthur Koestler(1) zurück.

 

Eine Holarchie ist eine Organisation, die aus selbstständigen Subsystemen, den Holonen, besteht. Koestler beschreibt das Holon als ein Ganzes, das Teil eines anderen Ganzen ist.

Alle lebenden Systeme weisen demnach zwei Grundtendenzen auf: "Erstens ein möglichst autonomes Ganzes zu bilden, das die eigenen Lebensvorgänge selbstständig organisiert. Zweitens müssen sie sich immer auch in ein Umfeld einfügen, in dessen Regelkreisen sie ihren Platz finden (Ökologie) (...) Im Wechselspiel der Holone mit ihrem Umfeld entstehen so verschachtelte Gefüge von Holonen, die Holarchie. Jedes Lebwesen und auch nicht belebte Systeme (Atome, Moleküle) sind nach innen gemäß diesem Prinzip strukturiert und nach außen Teil eines solchen Gefüges."(2)

 

In jedem Holon gibt es also einerseits das Streben nach Individualität und andererseits das Streben nach Einordnung in sein Umfeld. Dieses zweifache Streben hat eine weitverzweigte Kooperation zur Folge, da jedes Holon sich selbst reflektiert und die untergeordneten Holons transzendiert, mit aufnimmt. Gleichzeitig bleibt jedes Holon autonom. Das bedeutet, dass Holone die Tendenz haben, ihre eigene Autonomie zu wahren und gleichzeitig tragen sie mit ihrer individuellen Fähigkeit dazu bei, die gesamte, größere Struktur zu erhalten. Die einzelnen Holone koordinieren miteinander über Selbstregulierungsprozesse. Dabei ist in jedem Holon das organisatorische Wissen des Gesamtsystems gespeichert. In diesem Sinne ermöglicht eine holarchische Struktur, Systeme sowohl flexibel (ständig im Wandel begriffen) und anpassungsfähig bezogen auf die Umweltveränderungen als auch stabil zu machen.

 

In der Interaktion von Menschen zeigt sich ein holarchisches Prinzip u.a. in der Wahrnehmung und Benennung von unterschiedlichen Beziehungsebenen. Diese stehen gleichberechtigt nebeneinander; keine wird ausgeschlossen. Die Kunst ist es, in der Kommunikation die jeweils im Vordergrund stehende Beziehungsebene bewusst zu machen oder offensiv zu wählen.

 

Das Konzept der Holarchie wurde von Ken Wilber(3) überarbeitet und erweitert. Es ist Teil seiner integralen Theorie. Nach Wilber können genauso auch "Gegenstände, Prozesse, Ideen, Kontexte, Gemütszustände als Holons aufgefasst werden". Dies spiegelt sich z.B. in seiner Auffassung wider, dass unterschiedlichen Erkenntnisse und theoretischen Ansätze alle "true but partial" sind, d.h. sie sind wahr, doch auch Teil einer größeren Wahrheit. Bezogen auf die Entwicklung eines theoretischen Ansatzes bedeutet das nicht "eine bloße Sammlung von Erkenntnissen sondern um eine Holarchie von Erkenntnissen: Übergeordnete Kontexte (Holons), die in der Lage sind, möglichst viele untergeordnete Kontexte zu einem, neuen großen Ganzen zu integrieren."

 

"Eine integrale Theorie – wie Wilber sie beschreibt – trägt den Anspruch, die Teilwahrheiten ihrer Vorläufer aufzuheben und deren relatives Scheitern erklären zu können. Sie gehen "wahrend" vor, nimmt ihre Vorläufer auf und umarmt sie, wobei sie deren Absolutheitsanspruch negiert."(4)

 

(1) Arthur Koestler: Der Mensch, Irrläufer der Evolution, 1981

(2) Auszüge aus "Die Demokratie und das Gesetz der optimalen Komplexität", Beat Ringger, Denknetz, Jahrbuch 2007, S. 181

(3) Ken Wilber: Eros, Kosmos und Logos, 1995

(4) Alle Zitate in dem letzten Absatz sind Auszüge aus dem Vortrag (Online-Publikation: Integrales Forum): Sprache und die Manifestation des Geistigen im Werk von Ken Wilber, Dennis Wittrock, 2002, Kapitel 3 und 5